[132] Zwanzigstes Schreiben.

Reise über Freyburg und Mürten nach Lausanne.

Beschreibung des Païs de Vaud.

Mein Herr!


Eine starke Stunde von Freyburg ist in einer Wildniß zwischen Waldung und Felsen eine sonderbare Einsiedeley angeleget, in welcher man eine Kirche, Bethkammer, Glockenthurm, Saal, Eßstube, Küche, etliche Kammern, Treppen, einen Keller, Schöpfbrunnen und andere Bequemlichkeit findet, und zwar alles in Felsen gehauen, sogar, daß auch der Schornstein und Glockenthurm, welcher eine Höhe von vier und funfzig Schuhen hat, in solchem Steine von unten an hinauf geführet worden. Rand links: Sonderbare freyburgische Einsiedeley. Wem dieses fremd vorkömmt, der wird sich noch mehr darüber verwundern müssen, daß alle diese Arbeit von einem einzigen Manne mit einem Jungen verfertiget worden. Eine gute Quelle hatte die Natur schon besorget, der Meister aber hat über dieses das Wasser mit verschiedenen eingehauenen Rinnen aus dem Felsen in kleine Cisternen geleitet, auch so vieles Erdreich von andern Orten zusammengetragen, daß er sich zum Gebrauche seiner Küche einen kleinen Garten anlegen können. Alle Reisende besehen dieses Wunder mit Vergnügen, und beklagen das Schicksal des ehemaligen Besitzers und Urhebers, welcher im Jahre 1708 in dem kleinen Wasser Sane, das an dieser Einsiedeley vorbey fließt, und worauf er wöchentlich seine Lebensmittel und andere[132] nöthige Sachen aus der Stadt mit einem Kahne holete, ersoff, und zwar in Gesellschaft etlicher jungen Leute, die ihn am Tage seiner Kirchweihe besucht hatten, von ihm aber zurück begleitet wurden.

Man findet etwas gleichkommendes in einer Höle des Bißthums Hildesheim, welche von ihrem ersten Besitzer die Lippelshöle genannt wird. Ein Brunnen, ein Pferdstall, ein niedriger langer Gang und eine große Kammer sind gleichfalls in harten Felsen gehauen, aber mit ganz andern Absichten, indem Lippel dieses Nest zu seinen mörderischen Raubereyen gebrauchte, wegen welcher er auch endlich unter des Scharfrichters Händen sterben mußte.

In Freyburg besieht man die Kapelle La Salutation und das Jesuitercollegium, welches für das schönste in der Schweiz ausgegeben wird. Rand rechts: Freyburg.

Wenn man um des nähern Weges willen Freyburg auf der linken Hand liegen läßt, so kömmt man sechs Stunden von Bern nach Mürten, welchen Ort man wegen Gleichheit der Häuser und gewölbten Gänge das kleine Bern nennen könnte. Rand rechts: Mürten Eine Vierthelstunde drüber hinaus trifft man eine Kapelle zur linken Hand des Weges an, deren offene Fenster mit eisernen Gittern verwahret sind. Rand rechts: Kapelle voll Todtengebeine. In derselben werden die Gebeine der im Jahre 1476 erschlagenen Burgunder aufgehoben, welche ehemals dieses Häuschen bis oben unters Dach anfülleten, durch die Länge der Zeit aber schon bis an die Hälfte zusammen gesunken sind. Diese Verringerung hat desto leichter geschehen können, weil außer der Vermoderung, welche die untersten Stücke betroffen hat, vieledieser Gebeine von manchen vorbeyreisenden Burgundern, wenn sie solche erreichen können, aus Andacht und gleichsam als Reliquien mitgenommen werden; über dieses auch ein Theil des hiesigen Landvolkes aus närrischer Einfalt sich solcher Knochen zur Arzeney bedienet. Die an der Kapelle befindliche lateinische Schrift, so im Jahre 1723 erneuert worden1, ist folgende:


1476.


D. O. M.


Caroli inclyti & fortissimi Burgundiæ Ducis Exercitus Muratum obsidens ab Helvetiis cæsus hoc sui monumentum reliquit 1476.


1723.


Zur Seite stehen folgende elende deutsche Reimen:


Diß Gebein ist der Burgundschen Schaar

Im vierzehn hundert siebenzig und sechsten Jahr,

Vor Mürten durch eine Eydnoßschafft

Erlegt mit Beystand Gottes Krafft;

Auf der zehn tausend Ritter Tag

Geschah die große Niederlag.


Auf beyden Seiten zeigen sich die freyburgischen und bernischen Wapen (als unter welchen zween Cantons Murat gehöret) über der Schrift aber der doppelte Reichsadler mit der kaiserlichen Krone über dem Kopfe. Mürten ist mit einer schlechten Mauer umgeben, gleichwie auch Wilslisburg, so zwo Stunden von Mürten auf einer Höhe liegt.

Wilslisburg ist das alte Aventicum, und von der daselbst verehrten Göttinn Aventia zeugen viele in der Nachbarschaft gefundene lateinische Inscriptionen, deren Erklärung hier zu viel Platz einnehmen würde. Rand rechts: Wilslisburg. Den heutigen Namen hat der Ort von einem deutschen[133] Vilvilone, der ihn wieder in einiges Aufnehmen gebracht. Die Franzosen heißen ihn nach der alten Benennung Avanche, und die Italiener Avenza.

In dieser Gegend bis Lausanne findet man öfters auf den öffentlichen Galgen Wettcrsahnen, und an selbigen die Wapen des Cantons, der die hohen Gerichte an solchem Orte hat. Rand links: Fahnen und herrschaftliche Wapen auf Galgen.

Lausanne liegt im Thale, und so uneben, daß man fast allenthalben die Räder der Wagen hemmen muß. Rand links: Lausanne. Außerhalb der Stadt gegen Morges ist ein angenehmer Spaziergang, wie auch eine Mailbahn und gute Aussicht nach der Stadt und dem Genfersee, welcher zwar sehr nahe scheint, indessen aber doch eine halbe Stunde entfernet ist.

In der Mauer der Hauptkirche wird der Riß gezeiget, welchen im Jahre 1634 ein Erdbeben verursachet hat, von solcher Weite, daß ein Mann dadurch kriechen konnte. Rand links: Wunderbare Wirkung eines Erdbebens Der berühmte alte Professor Pictet erzählete oftmals, daß er in seiner Jugend, wenn er auf dem Kirchhofe mit andern Knaben gespielet, bisweilen seinen Mantel hinein gelegt habe. Vor dreyßig Jahren ist durch ein anderes Erdbeben alles wieder genau zusammen gefügt, und die schmale übrige Ritze, welche nunmehr kaum eines Daumens dick, mit Kalke ausgefüllet worden. Der Thurm ist schön, aber zweymal abgebrannt, daher nur die Hälfte noch steht. Ein kleinerer Thurm auf dieser Kirche ist auch durch einen Blitz oben in Brand gekommen, da man denn noch zu rechter Zeit den Entschluß gefaßt, ihn mit einer Kettenkugel abzuschießen, ehe das Feuer das untere Gebäude der Kirche ergreifen können. Rand links: Hauptkirche. Man hat nachher eine neue Spitze wieder darauf gesetzet. In der Kirche ist das marmorne Grab eines Chevalier aus dem Hause Granson, desgleichen des Herzog Karls von Schomberg, der im Jahre 1693 in Piemont sein Leben eingebüßet hat, zu bemerken. Diese Hauptkirche ist auf der einen Seite mit eben einer solchen aufgemauerten Terrasse oder Spaziergange umgeben, wie die zu Bern, jedoch mit diesem Unterschiede, daß die bernische viel höher gemauert ist, hingegen die Aussicht zu Lausanne über den See und das ganze niedrige Land gegen Geneve noch trefflicher ist. Rand links: Aussicht von der Terrasse. In der That ist diese ganze Gegend also beschaffen, daß nicht nur das Auge, sondern auch das Gemüth seine Weide und Vergnügung findet. Die angenehme Abwechselung kleiner Höhen und Thäler, Felder, Wiesen, Weinberge und Holzung, nebst der Nähe des Sees und der ruhigen Regierung zieht Leute von allerley Stande in dasPaïs de Vaud, welche Landgüter darinnen ankaufen, und sonderlich den Sommer und Herbst darauf zubringen.

Obrigkeitliche Personen von Geneve und dem Canton Bern, vernünftige und wohlgezogene Gelehrte in allerley Wissenschaften, in der Fremde versuchte Cavaliere, erfahrne Kaufleute und andere Personen von verschiedenem Range, die zu dieser Gegend, als zu einer Freystäte von geistlicher und weltlicher Sclaverey ihre Zuflucht genommen haben, geben täglich die beste Gelegenheit, in angenehmen Gesellschaften die Zeit aufs nützlichste zuzubringen. Rand links: Lebensart im Païs de Vaud. Auch geschickte Staatsminister, so in Gesandtschaften an den größten Höfen von Europa glücklich gebraucht worden, haben sich diesen Sitz der Ruhe erwählet, und nutzet ihr Umgang einem lehrbegierigen Gemüthe, das sie ihres Vertrauens würdigen, anitzo mehr als ehemals, da sie in dem Tumulte der Höfe mit Staatsverrichtungen überhäufet waren.


Beatus ille, qui procul negotiis,

Ut prisca gens mortalium,

Paterna rura bobus exercet suis,

Solutus omni fœnore,


Nec excitatur classico Miles truci,

Nec horret iratum Mare

Forumque vitat, & superba Civium

Potentiorum limina.

HORAT.


Ich verehre noch allezeit das Andenken eines trefflichen Mannes F. v. B. der im nordischen Staatswesen viele Kenntniß besitzt, und gleichfalls diese Gegend auf eine Zeitlang[134] zu seinem Aufenthalte erwählet hat. Er war ein vertrauter Freund des nachmals unglücklichen Johann Reinhold Patkul, und lebten sie theils auf dem danketmännischen Gute Prangin, das in dem Païs de Vaud liegt, theils in Lausanne mit vielem Vergnügen beysammen. Rand rechts: Anekdoten von Patkul und Karln dem zwölften. Patkul, der aus schwedischen Händen entwischet war, suchte nichts als unentdeckt zu bleiben, und gab sich daher den Namen Fischerring. Um die Zeit desto besser anzuwenden, arbeitete er in den Vormittagsstunden an einer französischen Uebersetzung des Pufendorf de officio hominis & civis, und las seinem Freunde ein Collegium über das große Werk, welches Pufendorf vom Natur- und Völkerrechte geschrieben hat; Nachmittags aber besuchten sie nützliche Gesellschaften. Bey solcher Gelegenheit verliebte er sich in Mademoiselle M ..., und da erbald hernach in Sachsen großes Glück zu machen schien, schrieb er die beweglichsten Briefe, daß sie zu ihm kommen und die Heirath vollziehen möchte. Allein Sachsen war ihr zuweit, und der Ehrgeiz plaget in den hiesigen Landen die Leute nicht so sehr, weil man von Jugend auf nur von der Freyheit, Ruhe und stillen Vergnügung als dem höchsten irdischen Gute sprechen höret. Sie hat sich nachher an den preußischen Kammerjunker N. verheirathet, welcher aber auch beynahe, und da nur zwo Stimmen fehlten, um den Kopf gekommen wäre wegen seiner Unternehmungen auf dem Genfersee, da er in Compagnie etlicher reichen Leute unter andern den Franzosen auf einmal vierzig tausend Louis d'or weggefischt hatte.

Als hernach F. v. B. nach dem schwedischen Hofe gieng, machte er daselbst kein Geheimniß aus der Freundschaft, die er mit Patkul unterhielt. Dieser hatte ihn gebethen, unter der Hand zu forschen, wie der König gegen ihn gesinnet wäre: es zeigten aber viele Umstände, daß der König ihn vielmehr für einen Todten hielte, um welchen er sich nicht zu bekümmern hätte, als daß er besondere Rache und Feindschaft noch gegen ihn hegen sollte. Ein Scheinfreund des Patkul, der General R- hatte sich gegen Karln den zwölften erbothen, ihm den Patkul lebendig oder todt zu liefern, der König aber nahm es nicht an; und ist daher desto weniger zu glauben, daß auf des Patkul Kopf vieles Geld von Schweden sey gebothen worden. Als F. von B. nach einiger Zeit wieder mit Patkul sich desfalls unterredete, sagte dieser beym Abschiede: Peut-être que vous entendrés avec le temps, que le Roy de Suede & Patkul sont bons amis. Es ist zu verwundern, daß man einen außerordentlichen Ambassadeur ausgeliefert, und ihn nicht entkommen lassen, weil vermuthlich der König in Schweden kaum an ihn gedacht haben würde2. Allein außer daß der Statthalter Fürstenberg ein sonderlicher Feind des Patkul war, so hatte dieser sein Unglück vornehmlich den geheimen Räthen Pfingsten und Imhof zu danken. Diese fürchteten sich vor des Patkul gräulichem Jähzorne, welcher ihrer auch nicht geschonet haben würde. Solchem vorzukommen, gaben sie dem Könige von Schweden selbst an die Hand, daß er die Auslieferung des Patkul verlangte, welcher noch im letzten Jahre ein dem Könige August übergebenes treues Consilium mit folgenden Worten geschlossen hatte:Dixi & animam salvavi. Wobey etliche hinzufügen, daß als der General und Staatsminister, Graf von Flemming, solche Schrift, in welcher er gleichfalls wegen der im sächsischen Solde stehenden moskovitischen Völker etwas hart angegriffen war, zu lesen bekommen, er unter die obgedachten lateinischen Worte gesetzet: Maledixisti & damnaberis.[135]

Der König in Schweden ließ sich leicht zu dem erfolgten harten Verfahren gegen ihn bewegen. Er gieng in allem nach der strengen Gerechtigkeit, und des Patkul Aufführung wurde ihm nicht anders vorgetragen, als daß er dadurch einen schmählichen Tod verdienet hätte. F. v. B. gesteht, es wären ihm oftmals Thränen in die Augen gekommen, als er von seines Freundes Unglücke in den Zeitungen gelesen, absonderlich da es einsmals geheißen, es sollte Patkul in den vornehmsten Städten von ganz Schweden öffentlich vom Henker mit Ruthen gestrichen werden. Patkul konnte sich zwar nach seiner Auslieferung von dem Gemüthe des Königs in Schweden wenig Gnade versprechen; allein er gedachte nicht, daß er auf eine so schmähliche Art sein Leben würde lassen müssen. Als er dannenher in der letzten Stunde seines Lebens in den Kreis kam, und neben dem Blocke das Rad liegen sah, konnte er sich nicht enthalten mit gen Himmel gewandten Augen zu rufen: O mein König! was thust du! Sein Tod war langsam und schmerzhaft, weil man einen ungeschickten Polaken an statt des Scharfrichters gebrauchte, welcher mit dem Rade schlecht umzugehen wußte3. Dieses geschah zu Casimir den 10 October 1707. Und ob man gleich nicht sagen kann, daß des Königs Karl des zwölften Unglück erst von dieser Zeit angefangen, so ist doch gewiß, daß solches ihn hernach bis an sein Ende beständig verfolget habe. Des Patkul Fehler war der Jähzorn, und Karls des zwölften der Eigensinn, welcher ihm auch bey den Türken den Namen Demirbache, oder eines eisernen Kopfes zuwege gebracht hat.

Als der Czar Peter im Jahre 1711 in Torgau war, sagte er dem damals von Churbraunschweig an ihn gesandten Kammerherrn, Freyherrn von Bernstorf: er habe seinem Bruder Karl dreyerley Frieden angebothen; einen submissen, in Sachsen; einen egalen, vor der Bataille von Pultawa, und einen genereusen, nach gedachter Schlacht, der König in Schweden aber habe alle drey verworfen, und lasse es aufs äußerste ankommen. Er, der Czar, habe, da er den Krieg angefangen, unrecht gehabt, und Gott habe ihn gestraft; die itzige Aufführung des Königs in Schweden aber mache, daß die rußischen Waffen eine gerechte Sache bekämen. Der Czar gestund dabey, daß er sich in der Campagne am Pruth nicht als ein sonderlicher General aufgeführet, sondern in eben den Fehler, den Karl der zwölfte in seiner rußischen Unternehmung begangen hätte, verfallen wäre. Schon in seiner Kindheit behauptete Karl der zwölfte einsmals mit äußerster Hartnäckigkeit gegen die königliche Frau Großmutter, daß ein blaues Kleid, welches er damals am Leibe trug, von schwarzer Farbe wäre. Als sie ihn ein andermal nicht gleich die Thür des Zimmers, worinnen sie war, öffnen wollte, rennete er mit dem Kopfe so ungestüm dagegen, daß er als ohne Verstand davor zur Erden fiel. Bey zunehmendem Alter mußte eine Mauer, vor welcher sein Pferd am Schlitten gestutzet hatte, niedergerissen werden, damit er nur seinen Willen hätte, darüber hinzufahren. Ein andermal mußte das Pferd, worauf er saß, sich außerordentlich beugen und krümmen, um mit ihm durch eine niedrige Thür zu kriechen, da die geringste Aufrichtung und Hebung des Pferdes bey solcher Stellung ihm das Leben würde gekostet haben. Mehrere dergleichen Umstände übergehe ich hier mit Stillschweigen. Seine Lebensart[136] war sehr mäßig und hart. In seinem Schlafzimmer war kein Vorhang ums Bette; er brauchte weder Schlafrock und Pantoffeln, noch Schlafmütze. An der Wand hingen etliche Flinten und Pistolen, und auf dem Tische lag die Bibel und Q. Curtius. Die Lesung dieses letzten Buches hat dem Könige vielen Schaden gethan, indem es ihm in seinen verwägenen und kaum in Romanen erlaubten Unternehmungen gestärket. Seine verzweifelte Gegenwehr wider zwanzig tausend Türken zu Bender, kann allein hievon ein deutliches Zeugniß abstatten. Alexander der große ist auch der einzige, mit welchem Karl der zwölfte verglichen werden kann, jedoch mit diesem Unterschiede, daß der König von Schweden niemals in diejenigen Schandthaten verfallen, zu welchen Bachus und Venus den griechischen Helden verleitet haben.

Vor dem Einbruche in Sachsen fragte einsmals der General von Reinschild den F. v. B. was man in Deutschland von den schwedischen Waffen urtheilte? und als dieser antwortete: man verwundere sich über ihren glücklichen Fortgang; so versetzte Reinschild: er merke wohl, daß F. v. B. mit der Farbe nicht recht heraus wolle, und wenn er seines Herzens Gedanken entdecken sollte, würde es heißen: die Schweden führten Krieg wie die Kinder; er, Reinschild, wolle auch dieses nicht gänzlich in Abrede seyn, nur sollte man dieses den schwedischen Generalen nicht beymessen, als welche dem Könige gehorchen müßten, übrigens aber wohl wüßten, wie der Krieg nach den Regeln geführet werdenmüßte. Man habe auch dem Könige vorgestellt, daß dergleichen gewagte Unternehmungen und seine Art zu batalliiren gegen geübte und wohldisciplinirte Armeen, wie damals in Flandern und Brabant gegen einander stunden, nicht angehen würden; er habe aber zur Antwort gegeben: gegen andere Feinde würde er auch auf andere Art Krieg führen. Pultawa hat gezeigt, daß er durch die Länge des Krieges seinem Feinde zu viel vom Handwerke hat lernen lassen. Aeußerlich überhob er sich wenig in seinen glücklichen Tagen. Einsmals fragte er den F. von B. um die deutschen Generale, und insbesondere um den General Styrum. Die Antwort war: Es seyn zwar manche gute Köpfe geschickt große Dinge zu thun, wenn sie von andern geführet und commandiret würden; sie seyn aber nicht im Stande vor sich selbst was großes auszuführen, und à la tête des affaires gebraucht zu werden, als wozu eine außerordentliche Fähigkeit des Verstandes und eine große Erfahrung gehöre; es sey auch dem Könige desto rühmlicher, daß er bey so jungen Jahren in den wichtigsten Dingen einen klugen Entschluß zu fassen, und solchen mit gehörigem Nachdrucke auszuführen wisse etc. Hierauf zuckte der König die Achseln und sagte: Was er bisher ausgerichtet, habe Gott und das Glück gethan.

Uebrigens da die menschliche Schwachheit es also mit sich bringet, daß man mehr auf den äußerlichen Schein, als auf das wahre Gute sieht, und einen König, der viele Schlachten und Länder gewonnen, mehr erhebt als einen, der sein Volk in Ruhe mit guten Gesetzen und ertheilten Wohlthaten regieret hat: so wird es zwar dem Andenken Karls des zwölften niemals an Verwunderern und Lobsprüchen fehlen; allein es kann auch sein Exempel lehren,[137] wie wenig die Unterthanen ihr wahres Beste verstehen, welche sich solche Herren wünschen, welche nur in der Historie eine große Figur machen. Wie schlecht Schweden bey ihrem itztgedachten Vater des Vaterlandes gefahren, ist weltkündig, und werden es bey der späten Nachwelt noch diejenigen Münzzeichen beweisen, welche auf Veranlassen des Baron von Görz daselbst im ganzen Lande eingeführet wurden, an statt daß man von dergleichen Nothmünzen vorher nicht anders als bey den äußersten Bedrängnissen einer belagerten Festung gehöret hatte. Rand links: Schwedische Nothmünzen.

Eine kleine Kupfermünze, welche nach ihrem innerlichen Gehaltekaum einen Pfenning werth war, mußte einen Thaler Silbergeldes, so die Hälfte eines deutschen Reichsthalers beträgt, gelten. Da doch zu einem solchen schwedischen Thaler in dem besonders dazu geprägten Stücke Kupfers anderthalb Pfunde erfordert werden, an statt daß die görzische Münze nur ein Quintlein und zehn Gran wog, und solchergestalt sein innerlicher Werth gegen den äußerlichen, wie er im Königreiche Schweden gangbar war, sich wie eins gegen hundert und vier und sechszig und ein halbes verhielt. Ich besitze davon zehnerley Sorten, welche sich nach und nach sehr rar machen, weil man sie abgesetzet und hernach umgepräget hat.

Die erste dieser Münzen stellt eine Krone vor, mit der Jahrzahl 1715 und denen auf der andern Seite befindlichen Worten: I. Daler S. M. das ist, Ein Thaler Silbermünze.

Die zweyte ist vom Jahre 1716 mit itztgemeldten Worten, da auf der andern Seite ein Frauenzimmer mit einer Lanze und dem schwedischen Wapenschilde sitzt. Die Umschrift ist: Publica Fide. 1716.

Die dritte zeiget auf der einen Seite den Werth der Münze, nämlich die Buchstaben I. Daler S. M. und auf der andern einen gewaffneten Mann, welcher in der rechten Hand ein bloßes Schwert, in der linken aber das schwedische Wapen im Schilde führet, mit den Worten: Wett och Wapen 1717. das ist: Witz und Waffen.

Vom Jahre 1718 habe ich sechs Stücke, so auf der einen Seite den gesetzten Preis oder äußerlichen Werth derselben enthalten, und auf der andern Seite mit verschiedenen Geprägen gezieret sind. Also erscheint auf der vierten Münze Phöbus; auf der fünften Jupiter mit dem Blitze in der Hand und dem Adler zur Seite; auf der sechsten Saturn, wie er sein Kind fressen will; auf der siebenten Mars; auf der achten Merkur; auf der neunten ein in römischer Kleidung gewaffneter Mann mit einem Spieße in der linken und einem bloßen Degen in der rechten Hand. Zur Seite steht ein muthiger Löwe, und die Umschrift ist: Flink och færdig 1718. d.i. bereit und fertig.

Die zehnte hat wieder auf der einen Seite ihren gesetzten Preis, und auf der andern eine Weibesperson, welche man vielmehr aus dem beyliegenden Anker, als aus ihrer kläglichen Gestalt für die Hoffnung anzusehen hat, mit der Umschrift: Hoppet. 1719. Dieses letztgemeldte Stück ist entweder in währender Zeit, da man unter der neuen Regierung mit der neuen Einrichtung des Münzwesens noch nicht fertig war, oder noch unter Karls des zwölften Regierung zum voraus geschlagen worden, weil Karl der zwölfte schon den 22 Dec. 17184 vor Friedrichshall sein Leben eingebüßet, und Schweden aus seinem Tode eine ganz andere Hoffnung schöpfen konnte, als mit welcher sich der Baron Görz geschmeichelt hatte. Da ich meinen Herrn so lange mit betrübten Münzen aufgehalten: so ist billig, daß ich mit etlichen[138] raren silbernen Medaillen schließe, welche einen bessern Geist, einen reichern Gehalt und mehr Trost für die Schweden in sich fassen, als vorgemeldte Götzen. Rand rechts: Medaille der Königinn

Die eine stellet vor das Brustbildder Königinn Ulrica im Haarschmucke, mit der Umschrift: Ulrica. Eleonora. D. G. Regina Sueciæ; und auf der andern Seite eine Löwinn unter vier jungen spielenden Löwen, so die vier Stände des schwedischen Reichs vorstellen, mit der Umschrift: Curæ sed Deliciæ. Rand rechts: Ulrica. In der Exergue liest man: Corona, imposita. Ups. d. XVII. Mart. A. MDCCXIX.

Die andere Medaille ist dem Grafen Arve von Horn zu Ehren gepräget, und zeiget auf der Seite desselben Brustbild, mit der Umschrift: Rand rechts: Medaille auf den Grafen non Horn.


ARV. HORN COM. REGN. SVEC. SEN. PRÆS. CANCEL. ET. COMIT. A. 1720. MARESCH.


Auf der andern Seite findet sich in der Mitte ein viereckigtes Piedestal, über welchem eine königliche Krone, ein Reichsapfel, Zepter etc. auf einem Küssen liegen. Vornen an dem Piedestal ist unter einer Krone der Buchstabe F. (welcher den Namen Friedrich andeutet) zu sehen, und unter demselben zwischen einer Wapendecke ein Schild, worinnen ein Jagd- oder anderes gekrümmtes Horn bemerket wird. Gedachtes Piedestal steht zwischen vier andern etwas kleinern, auf deren Küssen vornen zur rechten Hand (in Ansehung desjenigen, der die Schaumünze betrachtet) ein aufgeschlagenes Buch, und auf der andern Seite ein entblößtes Schwert liegt. Auf dem hintern Piedestal zur linken erblicket man den Stab Merkurs und gegen über eine Sichel. Jedes dieser vier Fußgesimse ist mit dem in der Mitte befindlichen größern durch einen zierlich geflochtenen Strick verknüpfet. In der Umschrift liest man: AMABILI VINCVLO JVNCTI.

und in der Exergue oder dem untersten Abschnitte:


VIRO IMMVTABILI

OB RES PATRIÆ DEXTRE FIDELITER

FELICITERQVE GESTAS

ORDO EQVEST. R. S. IN. SEMPIT.

MEMORIAM CVDI FEC.

M D CC XX.


An der glücklichen Erfindung dieser Schaustücke wird niemand etwas auszusetzen finden: und was die äußerliche Ausarbeitung anlanget; so ist zu ihrem Lobe genug, wenn man nur meldet, daß beyde aus den Händen des berühmten Stämpelschneiders oder Medailleurs, C. Hedlinger kommen.

Hiezu füge ich noch dasjenige Schaustück, welches auf der einen Seite das Brustbild der Königinn Ulrica Eleonora zeiget, auf der andern einen Granatapfel, so aus den Wolken gereichet wird, mit der Umschrift: Rand rechts: Auf die Königinn Ulrica.


Dat reCtas fessls VIres sIstItq Ve CrVoreM.


In der Exergue liest man:


In memor. Coronat.


Damit ich aber von dieser Ausschweifung zurück komme, und nur noch etwas vom Païs de Vaud gedenke: so fängt solches von Morat an, geht bis Geneve, und muß von selbigem wohl unterschieden werden La Vaux, als ein kleiner Theil davon, der zwischen Lausanne und Vevay liegt, drey Stunden lang und eine breit ist. Rand rechts: Païs de Vaudvon La Vaux zu unterscheiden. In dieser Gegend wächst der Vin de la Vaux. welcher eine angenehme Süße und viel Stärke hat, aber sich nicht so wohl verführen läßt, wie der zwischen Lausanne und Geneve wachsende Wein de la Côte, welcher nicht so stark, und daher für gesunder gehalten wird. Es ist zwar die ganze Gegend von Lausanne bis Geneve mit Weinbergen bepflanzet: allein für den besten Wein hält[139] man denjenigen, so in dem Striche Landes zwischen dem Flusse Aubonne und dem Bache Promontause, der eine halbe Stunde vor Nyon in den See fällt, wächst. Diese Gegend ist drey kleine Stunden lang, und wird insbesondere la Côte genennt. Rand links: Vin de la Côte. Die darinnen liegende Gegenden von Rolle und Bursin bringen das beste Gewächs, sonderlich was den weißen Wein anlanget, gleichwie die Baronie Copet, welche näher gegen Geneve liegt, wegen des rothen Weins berühmt ist.

Ehemals hatte der Wein, so auf der savoyischen Seite des Genfersees wuchs, einen großen Abgang, dergestalt, daß auch die Genfer und benachbarte Schweizer von den Savoyarden ihre Weine kauften. Allein ein allzubegieriger Kameralist schlug dem Herzoge vor, durch eine Auflage auf diese Weine, deren die Schweizer nicht entbehren könnten, des Herzogs Einkünfte um ein großes zu vermehren. Rand links: Schaden aus der allzugroßen Steigerung der Kammereinkünfte. Dergleichen Rathgeber finden leicht Gehör, und erfolgte auch hier die angegebene Veränderung. Die Weine stiegen dadurch im Preise, die Schweizer thaten Gegenvorstellungen, aber umsonst; endlich, weil nichts helfen wollte, kamen etliche auf die Gedanken, obgleich ihre Vorfahren auf den Weinwachs nicht gedacht hätten, so sey es doch nicht unmöglich, daß ihr Land, sonderlich die Gegend zvischen Geneve und Lausanne, eben so gute Weine hervor brächte, als Savoyen, zumal da die Lage ihrer Bergeund Gegenden der Mittagssonne mehr genössen, als der savoyische Strich Landes. Man unternahm die Sache: der Erfolg gieng noch weiter als die anfänglich geschöpfte Hoffnung; die savoyischen Weine blieben liegen, und an statt des ungewissen Vortheils, welchen die herzogliche Kammer gesucht hatte, verlohr sie die sichern Einkünfte, zu welchen sie hernach niemals wieder hat gelangen können.

Von Lausanne über Morges nach Rolle rechnet man fünf Stunden, man fährt sie aber bequemlich in vier Stunden. Rechter Hand liegt Aubonne, itzt eine Landvogtey des Canton Bern, vorher aber eine dem Marquis du Quesne zuständige Herrschaft, welcher sie von dem wegen seiner großen Reisen bekannten Joh. Bapt. Tavernier erhandelt und nachmals an Bern verkaufet hat. Rand links: Aubonne. Tavernier hatte sie an sich gebracht, nachdem er vom Könige in Frankreich in den adelichen Stand erhoben worden war, und gedachte er allhier seine übrige Lebenszeit in Ruhe zuzubringen, als ihn die Untreue seines Vetters, welchen er mit einer Schiffladung (die im Einkaufe zweymal hundert und zwey und zwanzigtausend französische Livres gekostet hatte, und über eine Million im Verkaufe hätte gelten müssen) nach Ostindien geschicket hatte, in ein solches Labyrinth gebracht, daß er seine Güter verkaufen undin größter Armuth sein Leben beschließen mußte. Was den Marquis du Quesne anlanget: so war er der älteste Sohn des berühmten Admirals Abraham du Quesne, welchen allein die Franzosen dem holländischen Admiral Ruyter entgegen setzen konnten. Rand links: Einige Nachrichten vom Admiral du Quesne. Man giebt vor, daß diese zween Seehelden so viele Hochachtung für einander, und so große Furcht, die einmal erworbene Ehre zu verlieren, geheget haben, daß sie aus solcher Ursache einander stets aus gewichen seyn, und von ihrem Laufe geheime Nachricht gegeben hätten, bis einsmals du Quesne durch widerwärtigen Wind aufgehalten worden, den Weg, welchen er dem Ruyter zu wissen gethan, fortzusetzen, also, daß sie einander wider Willen bey Meßina antrafen und Schande halber angreifen müssen. Man will auch, du Quesne habe aus einer falschen Wendung, welche das Schiff des holländischen Admirals gemacht, den Schluß gezogen, Ruyter müsse nicht mehr commandiren, daher er so fort seinen Leuten den Muth angefeuert mit der Versicherung von des Ruyters Tode, welcher doch erst etliche Tage nach der empfangenen Wunde erfolgte.[140]

Du Quesne blieb beständig bey der protestantischen Religion. Als ihm in seinen alten Tagen Ludwig der vierzehnte desfalls zuredete, in der Meynung, ihnzum Abfalle zu bewegen, antwortete er mit freyem Gemüthe: Sire, j'ai rendu assés long temps à Cesar ce qui est dû à Cesar; il est temps, qui je rende aussi à Dieu ce qui lui est dû. Der König verstund dieses so wenig, daß er sich zu den Umstehenden kehrte und sagte: Est ce que la tête tourne à cet homme? veut il servir l'Empereur? Da man ihn wegen seiner Erfahrenheit in Seesachen für einen Mann, der in damaligen Zeiten der Krone Frankreich unentbehrlich war, ansah: so war er bey der Wiederrufung des Edicts von Nantes der einzige, dem man durch die Finger sah, und den man nicht zwang, entweder die Religion zu ändern, oder das Land zu räumen. Das Herz dieses Seehelden liegt in der Kirche zu Aubonne begraben mit einem kostbaren marmornen Denkmaale, welches ihm sein Sohn hat aufrichten lassen. Rand rechts: Des Admiral du Quesne Grabschrift. Der Geist der Verfolgung hat nicht zugelassen, daß man den ganzen todten Körper aus Frankreich hätte abfolgen lassen, und dahin zielet ein Theil der folgenden Inscription, welche man am itztgemeldten Monumente liest:


Siste gradum Viator,

Hic conditur

Cor

Invicti Herois

Nobilissimi ac Illustrissimi

Abrahami du Quesne Marchionis

Baronis Dominiq. du Quesne, de Walgrand, de Monros, de

Quervichard, d'Indrette etc.

Classium Gallicarum Præfecti,

Cujus anima in cœlis

Corpus nondum ullibi sepultum

Nec unquam sepelientur præclare gesta.

Si à Te ignorari queant

Tanti Viri

Incorrupta erga Principem fides,

Imperterritus in præliis animus,

Singularis in Consiliis Sapientia,

Generosum &excelsum pectus,

Ardens pro vera Religione Zelus,

Interroga

Aulam, Exercitum, Ecclesiam,

imo

Europam, Asiam, Africam,

Utrumque Pelagus.

Verum si quæras,

Cur fortissimo Ruitero

Superbum erectum sit mausoleum,

Ruiteri victori

Nulum?

Respondere vetat late regnantis Reverentia.

Hoc sui luctus ac pictatis erga Patrem

Triste monumentum mœstum & lacrymans

Posuit Henricus ejus Primogenitus, hujusce

Toparchiæ Dynasta & Ecclesiæ Patronus

Anno MDCC.
[141]

Wo sich Fremde in den Städten dieser Gegend etwas aufhalten, meldet sich alsbald im Namen des Gouverneurs ein Bedienter der Stadt mit einem Geschenke von etlichen Kannen Wein, wofür der Redner mit einem Trankgelde abgefertiget wird. Rand links: Präsentwein.

Versoy liegt zwischen Copet und Geneve, gehört zu dem französischen Ländchen Gex, und unterbricht auf diesem Wege das schweizerische Gebieth. Rand links: Französischer Paß. Versoy. Die Franzosen haben hier einen Zoll, und durchsuchen die Waaren der Durchreisenden. In Friedenszeiten kömmt man mit einem kleinen Trankgelde ohne Mühe ab; in währenden Kriegesunruhen aber passet man nicht nur genau auf die Kauf- und andere verbothene Waaren, sondern auch auf die Personen.

Von dem See zeiget sich das Païs de Vaud als ein angenehmes Theater, auf welchem die Höhen der Gegenden zunehmen, je weiter sie vom Auge sich entfernen. Rand links: Ufer des Sees. Zu Lande ist der Weg von Lausanne nach Geneve eine angenehme Tagreise, und der gerade gegen über liegenden savoyischen Landschaft fehlt es auch nicht an Schönheiten. Unter andern sieht man an dem Ufer des Sees das Kloster Ripaille, woselbst der savoyische Herzog Amadeus, oder Gegenpabst Felix, nach Niederlegung der päbstlichen Würde bis an sein Ende, so im Jahre 1450 erfolget, sich aufgehalten, und zwar, wie etliche vorgeben, mit solcher wollüstigen Lebensart, daß man dergleichen noch heut zu Tage mit den Redensarten:Faire Ripaille, oder, andare à Ripaglia, ausdrücket. Rand links: Ripaille. Dieser Prinz hatte nach seiner Abdankung der päbstlichen Würde das Cardinalat behalten, und nennte sich Cardinal von St. Sabina.


Geneve, den 30 Sept. 1729.


P. S. Nachdem ich in meinem Briefe einige besondere Umstände von des Patkul Lebenslaufe einfließen lassen: so wird meinem Herrn nicht zuwider seyn, wenn ich ein weitläuftiges und merkwürdiges Schreiben, welches er an seinen Freund den obgedachten Minister abgehen lassen, hier beyfüge, wie mir solches von diesem letztern im Originale gütigst mitgetheilt worden. Rand links: Merkwürdiges Schreiben des Patkul aus einem MSt.


Lettre de I. R. Patkul, à Mr. le Baron de – – –


Monsieur!


Rien au monde ne m'a pû faire plus de plaisir, que de recevoir de vos nouvelles – – – Vous savés donc, mon cher Monsieur, qui a eté Fischering, qui a tenu tant d'esprits en suspens pendant son sejour en Suisse. Il n'est donc pas plus besoin, de vous le cacher, & pour vous en eclaircir davantage, sachés, Monsieur, que le Gouvernement de la Suede est devenü, depuis uns vingtaine d'années aussi dur, rude & insupportable, que bien d'honetes gens s'en sont trouvé rüines, de familles de marque entierement detruites & exstirpées, si bien que toute l'Europe a eté remplie des plaintes & des pleurs que faisoient ceux, à qui on avoit ôté leurs biens & les envoyés tous nuds dans le monde pour precher la Morale & la Politique de la Suede. Cette Contagion se glissa à la sin dans ma pauvre patrie, qui est la Livonie, province bien connüe dans nôtre Hemisphere, & qui a fourni aux Suedois de bons moyens de s'êtrc rendu & riches & considerables parmi ley autres nations. On poussa la famense reduction, qu'on appelle, si loin, qu'on ne faisoit point de cas de renverser toutes les loix fondamentales, les Capitulations, Privileges, ensin de soumettre à une disposition arbitraire & despotique les biens, l'honneur & la vie d'une nation, qui ne sçait rien à se reprocher, que s'avoir[142] trop bien servi la Suede. Cette misere n'anima les Livoniens, qu'à supplier le Roy, de vouloir bien reflechir sur les droits & les privileges confirmés même par le Traité d'Olive & du depuis par divers Diplomes de Rois de Suede. Maissur do narrabatur fabula, Jusqu'à ce que la Noblesse ne pouvant plus supporter cette Tyrannie du Gouverneur General fit un recueil de tous les griefs, sous lesquels la province gemissoit, alleguant seulement de simples saits & conclüant par une priere ou demande trés soumise, de prendre à cœur cet outrage, d'ordonner que des gens desinteresses fussent envoyés pour en prendre lusormation, & qu'à la fin le Roy voulut apporter remede à tout cela.

Au lieu de nous oüir, on choisit six personnes du Corps de la Noblesse, que l'on croyoit des familles les plus distinguées du païs, on les accusa du crime de lese Majesté, comme ayant eû dessein de se revolter contre le Roy & de causer un soulèvement dans la province. Nous avions beau leur faire voir, que ce n'etoit qu'une calomnie noire, un débordement d'une malice infernale & une invention de quelque cervelle gâtée. Toute la Noblesse envoya une requête au Roy, declarant hautement que c'etoit fa cause, dont eile vouloit être responsable, & qu'il ne falloit en charger de particuliers. Mais tout en vain. Moi, comme pouvant bien comprendre, qu'on nous avoit choisi pour en faire un sacrifice, à fin que Personne n'osat plus ouvrir la bouche contre la reduction & les autres maux d'Egypte, je me retirois, dans la Courlande, & aprés avoir demandé un sauf-conduit, on ne me l'accorda, que sur des instances reiterées & sur des menaces, qu'en cas qu'on me le refusât, je mettrois an jour ce procede inoüi avec de sujets, qui avoient la conscience nette, & qui se vouloient justifier de toutes les calomnies, en face de tout l'Univers. Ce sauf-conduit parût à la fin, larde de telles clauses, que de gens de bien, qui avoient cette fausseté en horreur, me donnerent des avis par diverses lettres sans nom, que l'on ne tiendroit pas parole. Je me rendis pourtant à Stockholm contre l'attente du Roy & de tout le monde. Je demandois, qu'on traitát tous par la voye de la justice, laquelle fut tellement forcée, que ces gens en rendront comte devant Dieu, & qu'ils ne sauront jamais se justifier dans l'esprit de ceux qui ont le cœur tant soit peu bien placé; ce que vous connoitrés par là, que nous nous trouvames obli-gés de reprocher à toute la grande Commission ou au Parlement, que leur Protocole avoit eté faussé, de sorte qu: ils furent contraints par nôtre importunité de rayer & effacer un passage qui portoit, que dans une conference nous avions dit nous mêmes, que nous etions Rei confitentes, scilicet le crime dont on nous vouloit rendre coupables. Gn nous dressa tant de pieges, nous avertissant & même nous pressant, que nous devions presenter une requête, demandant qu'on nous pardonnât les fautes, que nous pouvions pas nier d'avoir commises, sous l'esperance que cela attendriroit le cœur du Roy, qui peut-être nous feroit grace. Mais comme nous avions resoluavec une fermeté intrepide, de ne pas passer jusqu' à une telle bassesse, quoi qu'il en arrivât; il fut conclü qu'un d'entre nous se sauvat pour avoir lieu d'instruire le monde de notre innocence, etant impossible de nous tirertous d'entre les griffes de ces oiseaux de proye. Je fus donc celui qui se sauva, quoique je fusse guetté plus qu'aucun autre, même avec tant de soin, qu'a en parler humainement il ne paroissoit pas praticable, que je me sauvasse sans tomber entre les mains de ceux, quietoient apostés pour avoir l'œil sur mon Enfin, Monsieur, si vous en saviés toutes les circonstances, que je n'ose vous raconter, de peur que ma lettre ne vous ennuye, vous diriés, que c'es la main du Seigneur qui[143] m'a mené & qui m'a mis en seureté. Je laissai dans ma chambre à Stockholm une lettre ecrite au Roy, & une autre au Parlement, couchées dans de termes accommodés au sujet.

Un Prince de grande consideration en Europe m'offrit sa protection, toute fois que je vecusse incognito comme vous m'avés connu. Cependant on nous jugea comme de criminels, & toute la grace, que les autres, qui resterent dans la raterie, avoient à esperer, etoit, qu'aprés les avoir jugé à mort, on changea cette belle sentence en une telle, qui les constitua prisonniers pour six ans. Mais cette satisfaction n'etoit pas si grande, qu'ils en auroient cû, s'ils avoient pû mettre leurs griffes sur moi, comme ayant bien depeint leur injustice, durant nôtre conteste. Lors donc que je croyois, qu'il n'y avoit plus de moiens, de revoir mes biens, & d'addoncir mes ennemis, qui mont persecute jusque dans les cabinets de plus grands Princes de l'Europe, voilà le Roy de Suede meurt, son fils monte sur le Trone, tout le monde s'imagine que ce seroit le moment, de faire nôtre paix, & que l'on changeroit de la cruauté pratiquée jusques la dans toutes les formes. Mais bien loin d'en revenir, on a renouvellé toutes les maximes, & quoi qu'on eut mis en liberté les autres, il ny avoit point de pardon pour moi, comme etant echapé à trop bon marché, ce qu'ils ne pouvoient pas oublier.

Sur ces entrefaites l'Electeur de Saxe devient Roy de Pologne; il envoye un Ministre en Suede dans le veritable dessein, d'etablir avec cette puissance une etroite intelligence. Mais la Suede yvre de sa fortune renvoya ce Ministre sans l'ecouter. En suite le Czar de Moscovie en passant par Riga, Capitale de la Livonie, y fût fort cavalierement traité, ce qui lui laissa une jalousie trés grande dans l'esprit, de sorte qu'en repassant de Vienne pour sen retourner chés lui, il vit le Roy de Pologne & lui sit comprendre, qu'il faloit demender la Suede à rendre compte des depouïlles qu'elle a faite sur ces deux voisins aussi bien que sur tous les autres. La dessus le Roy de Pologne m'appella en son service, & quoi que je ne sçusse point ce qui l'y pourroit avoir porté, je me doutois bien, qu'il y auroit quelque dessein en campagne contre la Suede. Moi, qui ne cherchois, que de detourner tous les reproches, qui me pourroient accuser d'une vangeance & d'être entre de bon cœur dans un engagement contre la Suede, je m'addressai à un grand Prince de l'Europe, que par son moyen j'eusse à rentrer dans les bonnes graces du Roy de Suede. Ce Prince en chargea son Envoyé extraordinaire à la Cour de Suede. Mais on n'obtint rien. Je m'offris de vouloir rester en Allemagne en quelle ville quil plût à la Suede, d'y vivre à la retraite, & de n'avoir aucune liaison avec les Princes qui pourroient paroitre suspects à la Suede, pour peu qu'on me voulut permettre la joüissance de mes biens. Mais cela ne trouvoit aucun lieu non plus dans les cœurs plus durs qu'un rocher. Ainsi je me vis necessité de me mettre entre les bras d'un aussi grand Protecteur qu'est le Roy de Pologne, à fin que j'eusse lieu de reprendre la liberté, & de pouvoir paroitre au jour. Gn prit doncdes mesures justes pour ranger la Suede, de la maniere que vous le voyés, & il faut se remettre à la Providence, pour le reste. Nous nous sommes rendus maitres de deux places, dont la derniere peut passer pour une des plus fortes de toute l'Europe. Presentement le gros de l'Armée du Roy est en marche vers la Livonie, ou nous passerons cette campagne.

Je vous ai entretenu de mes avantures, Monsieur, dans la vüe, que vous soyés instruit de la raison que j'ai de servir le Roy de Pologne contre le Roy de Suede. Je ne[144] sers pas contre ma patrie, mais bien pour la delivrer de cet esclavage. Ainsi je me suis entierementrésigne à la volonte du Seigneur, qui vange toute injustice qui se commet sur la terre. etc.


à Varsovie

le 18 May 1700.


Was mit dem sächsischen Generallieutenant, Otto Arnold von Paykel, vorgefallen, werde ich zu einer andern Zeit mit mehrern erläutern. Nachdem er in einer Schlacht in die Hände der Schweden gerathen, wurde erchen 14 Nov. 1706 von dem königl. schwedischen Hofgerichte, als ein Verräther seines Vaterlandes, der ein ausländisches Kriegsheer in Liefland geführet, und dem Feinde gedienet, zum Schwerte verdammet und hernach auch hingerichtet, bloß weil er ein gebohrner Liefländer war, ob er gleich zeigete, daß er schon im Jahre 1677, im funfzehnten Jahre seines Alters, in großer Armuth aus Liefland gegangen, niemals etwas darinnen besessen, von der Krone Schweden niemals einige Wohlthat genossen, auch niemals den Königen von Schweden einigen Eid der Treue geleistet habe etc.

Fußnoten

1 Man wird es den Schweizern leicht zu gut halten, daß sie bey der Unterhaltung dieser Kapelle keine Unkosten sparen, weil sie dadurch das Andenken eines ihnen so rühmlichen Sieges erhalten. Man liest daselbst auch folgende Worte: Proelia trina tibi Dux Carole dira fuere, Divitiis Granson, grege Murthen, corpore Nancy.


2 DeVOLTAIRE in der Histoire de Charles XII. erzählet sowohl hier als in andern Dingen manche Umstände unrichtig. Seine Art zu schreiben ist angenehm, an den Nachrichten aber, die man ihm mitgetheilet, findet man vieles auszusetzen, ohne der Fehler, die er wider die Geographie und übrige Historie begeht, zu gedenken.


3 Ich würde die Geduld der Leser nothwendig misbrauchen müssen, wenn ich die starke Ausschweifung des Verfassers durch weitläuftige Anmerkungen erweitern wollte. Ich besitze den glaubwürdigen Bericht desjenigen Geistlichen, welcher Patkulu zum Richtplatze begleitet hat. Dieser befreyet ihn völlig von dem Verdachte einer leichtsinnigen Freydenkerey. Die Schriften des neuen Bundes nennet Patkul seinen liebsten Schatz, der ihm jederzeit unschätzbar gewesen sey. Er hatte die Aussöhnung mit König Karln dem zwölften sowohl durch den römisch- als rußischkaiserlichen Hof mehrmals sehr ängstlich, ob wohl vergeblich, gesuchet. Nichts war ihm schmerzlicher, als daß er unter dem Namen eines Landesverräthers verdammet wurde. Sein letztes Bekenntniß aus I Mos. 44, 16 ist rührend, und überhaupt sein Ende erbaulich. Das Bluturtheil war in der That strenge genug. Er wurde an fünf unterschiedenen Qrten lebendig mit dem Rade zerstoßen, darauf enthauptet, der Kopf auf einen Pfahl gestecket, und die vier Theile des Körpers auf vier Räder an die Landstrassen geleget.


4 Das Jahr seines Todesliest man auf einer Medaille in folgendem Verse, der über einem sterbenden Löwen geschrieben ist: NOn anIMo VICtVs seD fato fraCtVs obIbat.


Quelle:
Johann Georg Keyßler. Neueste Reisen durch Deutschland, Böhmen, Ungarn, die Schweiz, Italien und Lothringen. Theil 1. Hannover 1751, S. 145.
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